Ringvorlesung: Einführung in die Psychoanalyse
„Ich sage Ihnen, die Psychoanalyse begann als eine Therapie, aber nicht als Therapie wollte ich sie Ihrem Interesse empfehlen, sondern wegen ihres Wahrheitsgehalts, wegen der Aufschlüsse, die sie uns gibt über das, was dem Menschen am nächsten geht, sein eigenes Wesen, und wegen der Zusammenhänge, die sie zwischen den verschiedensten seiner Betätigungen aufdeckt.“
(S. Freud, Neue Folge der Vorlesungen über Psychoanalyse, 34. Vorlesung. GW Band XV, S. 169, (1933))
Sigmund Freud stellt das Feld seiner jungen Wissenschaft vor. Was können wir über das Intimste in uns wissen? Was davon zur Sprache kommen kann, folgt nicht allein unseren Absichten und unserem Wollen. Unsere Erinnerung ist lückenhaft. Welcher Ordnung, welchem Gesetz unterstehen die Lücken, mit denen uns unser „Bewusstsein“ konfrontiert? Wonach richtet sich, was wir über das Psychische und die Zusammenhänge unserer Betätigungen wissen können?
Geht die Psychoanalyse dem nach, was gesagt werden kann, so kann sie entdecken, was uns in der Sprache mitgegeben wurde. Die sieben Vorträge im Wintersemester 2019/2020 werden dies unter verschiedenen Gesichtspunkten befragen: Wie sind unsere Bindungen unbewusst determiniert? Wie können unbewusste Vorgänge und Strebungen anerkannt werden? Welcher Rechtssprechung untersteht das, was die Psychoanalyse aufdeckt? Wie gelingt oder scheitert die Anerkennung des Geschlechts? Diese Themen können nicht losgelöst von der Frage angegangen werden, welche epistemologische Legitimität der Psychoanalyse selbst zukommt. Woraus ist sie hervorgegangen und welches ist ihr Ort gegenüber der Wissenschaft? Was wäre „eine Wissenschaft, welche die Psychoanalyse einschließt?“ (Jacques Lacan).
Eine Veranstaltungsreihe der AWWK – Akademie für Wissenschaftliche Weiterbildung Karlsruhe in Kooperation mit dem ZAK.
Der Eintritt ist frei.
Das Unbewusste und die Wiederholung
Mittwoch, 30. Oktober 2019, 18 Uhr, Kleiner Hörsaal, Geb. 10.50,
(Bauingenieurwesen), Reinhard-Baumeister-Platz 1, 76131 Karlsruhe
Dr. med. Peter Müller, Karlsruhe Psychoanalytische und psychotherapeutische Praxis in Karlsruhe. Mitherausgeber von „Klinik der Psychoanalyse“, Turia und Kant; Gründungsmitglied des Psychoanalytischen Kollegs e. V.
Abstract Freud hat die Bilderrätsel des Traums und den Sinn der Symptome entziffert und damit dem Einzelnen die Verantwortung für sein Unbewusstes zurückgegeben. Was heißt das für „...das, was dem Menschen am nächsten geht, sein eigenes Wesen“[1], d. h. , seine Kindheit, seinen Körper, seine Familie und seine Herkunft und seine Beziehung zur Sprache? |
Die Bedeutung der Neurowissenschaften für die Erfindung und Neuerfindung der Psychoanalyse
Mittwoch, 13. November 2019, 18 Uhr, Kleiner Hörsaal, Geb. 10.50,
(Bauingenieurwesen), Reinhard-Baumeister-Platz 1, 76131 Karlsruhe
Dr. med. André Michels, Luxembourg, Paris Psychiater und Psychoanalytiker; Zahlreiche Vorträge und Veröffentlichungen zu Fragen der Klinik, Theorie und den Grundlagen der Psychoanalyse.
Abstract Auf der Höhe der neurowissenschaftlichen Forschung seiner Zeit angekommen, scheiterte Freud am Versuch einer wissenschaftlichen Begründung der Psychologie. Ist dieses Scheitern konjunkturell bedingt oder vielmehr bestimmend für die Erfindung der Psychoanalyse? Dieser bisher kaum gestellten Frage möchte ich in meinem Vortrag nachgehen, um mehr über die heutige (und vielleicht zukünftige) Entwicklung der Psychoanalyse zu erfahren, in ihrem Verhältnis zu den Neurowissenschaften und einer großen Vielfalt von Psychotherapieformen, die ihr gegenüber einen Hegemonieanspruch erheben. |
Das Freudsche Versprechen. Der Witz und die Fehlleistungen
Mittwoch, 27. November 2019, 18 Uhr, Kleiner Hörsaal, Geb. 10.50,
(Bauingenieurwesen), Reinhard-Baumeister-Platz 1, 76131 Karlsruhe
Dipl.-Psych. Max Kleiner, Horb Psychoanalytische und psychotherapeutische Praxis in Horb am Neckar. Arbeitsschwerpunkte sind neben der klinischen Praxis die Arbeit an und die Übersetzung von Texten aus dem Bereich der Lacan'schen Psychoanalyse.
Abstract Unter diesem Titel sollen der Aufbau und die Gemeinsamkeiten von psychischen Phänomenen wie dem Witz und dem sogenannten Freudschen Versprecher, dem Vergessen von Namen oder Daten und anderen Missgriffen dargestellt werden, so wie Freud sie als beispielhaft für das Wirken des Unbewussten begriffen hat. Die gezeigten Zusammenhänge werden auch auf andere Bereiche des Seelenlebens wie den Traum und das psychische Symptom bezogen. Dabei wird deutlich, wie viel Ähnlichkeit Freuds Vorstellungen vom Unbewussten und vom Triebleben mit einer Theorie der Sprache haben, wie sie erst Jahrzehnte später entwickelt worden ist. Schließlich soll darauf hingewiesen werden, dass es auch in der psychoanalytischen Praxis darum geht, eine Sprechsituation zu schaffen, in der sich Dinge wie Witz oder Versprecher nicht nur ereignen können, sondern sogar erwünscht sind. |
Psychoanalytische Perspektiven der mütterlichen Depression
Mittwoch, 11. Dezember 2019, 18 Uhr, Kleiner Hörsaal, Geb. 10.50,
(Bauingenieurwesen), Reinhard-Baumeister-Platz 1, 76131 Karlsruhe
Dr. phil. Dipl.-Psych. Catherine Moser, Ulm Psychoanalytikerin in Neu-Ulm. Studium von Psychologie sowie Philosophie u.a. an der Sorbonne Universität Paris. Promotion an der Universität Kassel. Mitarbeiterin von Francoise Dolto bei der Maison Verte in Paris. Ihr Forschungsthema und persönliches Interesse betreffen überwiegend die Interaktion Mutter-Kind, und die Entwicklung des kleinen Mädchens in Bezug auf die Weiblichkeit.
Abstract Die Schwere und Häufigkeit der post-partum-Störungen weisen darauf hin, dass es eine Verbindung zwischen der Konstitution einer weiblichen Identität und den bei der Mutterschaft, sich daraus ergebenden Frustrationen und Enttäuschungen geben muss. |
Psychoanalyse und Recht: Wie kommt das Gesetz in das Subjekt?
Mittwoch, 15. Januar 2020, 18 Uhr, Kleiner Hörsaal, Geb. 10.50,
(Bauingenieurwesen), Reinhard-Baumeister-Platz 1, 76131 Karlsruhe
Dr. phil. Dipl. Psych. Bernhard Schwaiger, Berlin Als Psychologischer Psychotherapeut im Justizvollzug Neustrelitz/Mecklenburg und Psychoanalytiker in eigener Praxis in Berlin. Mitglied der Freud-Lacan-Gesellschaft Berlin. Veröffentlichungen: Das Begehren des Gesetzes; Zur Psychoanalyse jugendlicher Straftäter. Transcript, 2009.
Abstract Sigmund Freuds psychoanalytische Mythen bieten aktuell wohl den beliebtesten Angriffspunkt, um die Analyse als wissenschaftlich obsolete oder gar als unwissenschaftliche Methode abzukanzeln. Hier soll herausgestellt werden, dass Freud mit den Erzählungen von Oedipus und Narziss und vor allem in dem entwicklungsgeschichtlichen Narrativ „Totem und Tabu“ versuchte, von einer zumindest in den Naturwissenschaften tabuisierten Fragestellung – die des Ursprungs – auszugehen, um Fragen über die menschliche Sexualität und des Begehrens zu stellen und zu theoretisieren. Der lapidar formulierte Titel des Vortrags: „Wie kommt das Gesetz in das Subjekt“, geht von einer Pathologie bzw. einer Transgression aus: Was passiert wenn das Übertreten von Gesetzen vermeintlich zu einer Diagnose führt, die wiederum – wenn sie substantiell (also naturwissenschaftliche) gedeutet wird und das Subjekt mit der Pathologie gleichsetzt (z.B. der Psychopath oder der Dissoziale) – zu einem naturalistischen Fehlschluss führt. Dieser besteht in diesem Falle darin, dass spezifische gesellschaftliche Werte als natürliche Normen definiert werden sollen. |
Sublimierung oder: Wie wird der Mensch kulturfähig?
Freitag, 24. Januar 2020, 18 Uhr, Kleiner Hörsaal, Geb. 10.50,
(Bauingenieurwesen), Reinhard-Baumeister-Platz 1, 76131 Karlsruhe
Dr. rer.soc. Claus-Dieter Rath, Berlin Psychoanalytiker in Berlin. Veröffentlichungen über Fragen der psychoanalytischen Praxis, der Geschichte der Psychoanalyse und über die Massenpsychologie des Alltagslebens. Letzte Buchveröffentlichungen: Der Rede Wert. Psychoanalyse als Kulturarbeit. Wien/Berlin (Turia+Kant 2013). Sublimierung und Gewalt. Elemente einer Psychoanalyse der aktuellen Gesellschaft (Psychosozial 2019).
Abstract Für die Psychoanalyse sind die Subjektivierung des Kulturellen und die Kultivierung des Subjektiven nicht ohne die Sublimierungsarbeit zu denken. Sigmund Freud war der Ansicht, dass ihr schöpferisches und pazifizierendes Potenzial im Laufe einer psychoanalytischen Kur gestärkt werden sollte. Unsere Fähigkeit zur Sublimierung verdankt sich der Plastizität und Verschiebbarkeit des aus vielen Komponenten zusammengesetzten Sexualtriebs. Aktuelle kulturelle Bedingungen und gesellschaftliche Verhältnisse können sie fordern, fördern oder erschweren. So können wertvolle soziale Bindungen entstehen und/oder vielfältige Gewaltdimensionen sich entfesseln. Der Vortrag grenzt die Sublimierung gegen bloßen Triebverzicht ab, betont die Beschäftigung des Subjekts mit seinem Urverdrängten (und dem von Sigmund Freud so genannten Ding) und er fragt nach der Aktualität eines Widerspruchs, den der Erfinder der Psychoanalyse in einer düsteren Zeit (1938) so formulierte: "Die Sehnsucht nach einem starken ungehemmten Ich mögen wir begreiflich finden; wie uns die gegenwärtige Zeit lehrt, ist sie im tiefsten Sinn kulturfeindlich." |
„Von Stil und Stilblüten" – aber was haben diese mit dem Unbewussten zu tun?
Freitag, 7. Februar 2020, 18 Uhr, Kleiner Hörsaal, Geb. 10.50,
(Bauingenieurwesen), Reinhard-Baumeister-Platz 1, 76131 Karlsruhe
Dr. phil. Johanna Vennemann, Köln, Rom Psychoanalytikerin, praktiziert in Rom und Köln. Psychologiestudium in Rom. Ausbildung zur Psychoanalyse in Paris und Rom. Dozentin des Laboratorio Freudiano pet la formazione Degli psicotherapeuti in Rom. Mitglied der Association Lacanienne Internationale, Paris.
Abstract Was unterscheidet die Psychoanalyse von allen anderen Techniken Psy? Es ist die Anerkennung der Existenz des Unbewussten, die Arbeit mit dem Unbewussten. |