Geistesblitze & Orchideenfächer. Geisteswissenschaften in einer globalisierten Welt
In diesem Sommersemester und im Jahr der Geisteswissenschaften widmet sich das Colloquium Fundamentale der Frage nach den Aufgaben und dem Sinn der Geisteswissen-schaften. Neben ihren genuin fachgebundenen Forschungsaufgaben stellen sie orientierendes Wissen bereit, bieten einen Zugang zur Welt, den Menschen und ihrer Gesellschaft und schulen Kritikfähigkeit. In einer sich vernetzenden Gesellschaft lastet immer mehr Verantwortung auf Geisteswissenschaftlern, die alte Fragen neu beantworten, aber auch neue Fragen stellen sollen. Gerade in einer Zeit der Globalisierung wächst der Bedarf an fundiertem Wissen über die eigene Tradition zur Herstellung eines kulturellen Gedächtnis-ses einerseits und über außereuropäische Kulturen für eine sinnvolle Dialogführung andererseits.
Innerhalb der Vortragsreihe fragen wir uns, welche Rolle Geisteswissenschaftler in Unter-nehmen spielen oder welchen Einfluss eine Wissenschaft, die sich traditioneller Weise mit bildgebenden Verfahren auseinandersetzt – wie die Kunstgeschichte – auf den Umgang mit der Visualisierung in Naturwissenschaft und Technik hat. Wie wirkt Philosophie in die politischen Diskussionen über soziale Gerechtigkeit, Bioethik oder Neurowissenschaften? Was lernen wir von Sinologen oder Islamwissenschaftlern über unseren politischen und wirtschaftlichen Umgang mit fremden Kulturen?
Das ZAK ist Partner des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie der Initiative „Wissenschaft im Dialog“ ausgerufenen Wissenschaftsjahrs unter dem Motto „Geisteswissenshaften. ABC der Menschheit“. Mit einer differenzierten Diskussion wollen wir einer möglichen Polarisierung in der Debatte über Geisteswissenschaften entgegen-wirken.
Konzept und wissenschaftliche Leitung:
Prof. Dr. Caroline Y. Robertson-von Trotha, Gründungsdirektorin des ZAK
Veranstaltungsübersicht
03. Mai 2007: Die Unbildungs-Katastrophe: Was heißt und zu welchem Ende braucht man ein Studium Generale?
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Prof. Dr. Hermann Glaser In der Auseinandersetzung mit den komplexen Gegenwartsfragen einer globalisierten Welt wird die Zusammenarbeit über Fachgrenzen hinweg immer wichtiger. Als interfakultatives Angebot gewährt das Studium Generale Einblick in fachfremde Bereiche und fördert die Allgemeinbildung. Gerade an technischen Hochschulen kommt diesem Lehrangebot eine besondere Bedeutung zu. Geisteswissenschaften stellen orientierendes Wissen bereit und ermöglichen Entwürfe für das gesellschaftliche Zusammenleben der Zukunft. Professor Dr. Hermann Glaser fragt in seinem Vortrag nach Sinn und Zweck eines umfassenden Bildungsangebots. |
24. Mai 2007:
Zur Soziologie der Geisteswissenschaften in einer globalisierten Welt |
Prof. Dr. Rudolf Stichweh In seinem Vortrag diskutiert Professor Dr. Stichweh den Begriff der Geisteswissenschaften vor dem Hintergrund der wissenschaftstheoretischen Alternativen der Sozial-, Kultur- und Humanwissenschaften. Während der Begriff der Geisteswissenschaften traditionell als übergreifende Selbstbeschreibung dieser Disziplinen galt, lässt sich heute am besten in Sozial- und Kulturwissenschaften unterscheiden. Sie stellen problemorientiertes Wissen bereit, das in einer globalisierten Welt unverzichtbar für die Selbstbeobachtung sowie Selbstgestaltung von Gesellschaft und Kultur ist.
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31. Mai 2007:
Die zwei Kulturen und die Probleme der globalisierten Welt |
Prof. em. Dr. Gunter Scholtz 1959 behauptete C. P. Snow in seinem Vortrag „The two cultures and the scientific revolution“ man müsse das naturwissenschaftlich-technische Wissen gegenüber der herrschenden literarischen Bildung stärken, um den Problemen der modernen Welt gerecht zu werden. In seinem Vortrag fragt Professor Dr. Scholtz nun, ob Snows These noch Plausibilität beanspruchen kann und welche Rolle den Geisteswissenschaften hinsichtlich der Herausforderungen einer globalisierten Welt zukommt. Als Initiator des Unternehmens „cubus – culture in business“ tritt er für den Transfer von kulturwissenschaftlichem Know-how in die Wirtschaft ein.
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21. Juni 2007:
In der Car-Clinic. Wo die Kunstgeschichte überall gebraucht wird |
Prof. Dr. Wolfgang Ullrich Vergleichendes Sehen, die Analyse von Stilcharakteristika, ikonografisches Wissen oder die Sensibilität für ästhetische Codes – dies sind nur einige Fähigkeiten von Kunstwissenschaftlern. In der Öffentlichkeit und selbst unter Studenten der Geisteswissenschaften wird oft nicht transparent, in welchen Bereichen diese Kompetenzen zum Einsatz kommen können. Am Beispiel der Designevaluation in der Automobilindustrie wird Prof. Dr. Ullrich aufzeigen, wo Kunstgeschichte überall gebraucht wird. Ausgehend von seiner Praxiserfahrung als Unternehmensberater entwirft er Thesen zur Verbesserung der theoretischen Ausbildung an Hochschulen. Videoaufzeichnung der Veranstaltung
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28. Juni 2007:
Von kleinen Fächern, kurzen Sichten, großen Herausforderungen |
Prof. Dr. Angelos Chaniotis In der Hochschulpolitik besteht Konsens, dass die geisteswissenschaftlichen ‚kleinen Fächer‘ unverzichtbar sind. Sie bilden nicht allein den eigenen Nachwuchs aus, sondern erweitern auch die Horizonte der benachbarten Disziplinen und bauen Brücken zwischen den Hochschulen und der außeruniversitären Öffentlichkeit. Allerdings erschweren ‚kurze Sichten‘ innerhalb der Universitäten und der Föderalismusgeist eine nationale Koordination der ‚kleinen Fächer‘. In seinem Vortrag legt der ehemalige Prorektor der Universität Heidelberg und derzeit in Oxford lehrende Professor Dr. Chaniotis, dar, dass die ‚Orchideenfächer‘ für eine frische Blüte nicht an erster Stelle mehr Geld, sondern neue, für sie adäquate Strukturen benötigen. Videoaufzeichnung der Veranstaltung
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5. Juli 2007:
Streitgespräch: Islamwissenschaft zwischen Theorie und Praxis |
Dr. Herbert L. Müller Prof. Dr. Maurus Reinkowski Seit den Terroranschlägen des 11. September 2001 steht die Islamwissenschaft im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit. Als einen großen Kulturraum umfassende Disziplin setzt sie umfangreiche Sprachkenntnisse voraus und trägt entscheidend zum Verständnis einer der Weltreligionen bei. Das kulturelle Fachwissen von Islamexperten ist derzeit besonders in Sicherheitsbehörden gefragt. Aus den Perspektiven von Theorie und Praxis diskutieren Prof. Dr. Maurus Reinkowski und Dr. Herbert L. Müller nach kurzen Vorträgen, inwiefern die Islamwissenschaft den an sie gerichteten Erwartungen von Politik und Medien gerecht werden kann.
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12. Juli 2007: Abschlusspodium: Geisteswissen schafft Zukunft
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Prof. Dr. Eve-Marie Engels, Dr. Katharina Weisrock, Prof. Dr. Helmut Engler, Geisteswissenschaften formen das kulturelle Gedächtnis, dienen der Orientierung in einer globalisierten Welt und bauen Brücken zwischen den Kulturen. Zum Abschluss der Reihe diskutieren Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft Chancen und Aufgaben, die sich für die Geisteswissenschaften insbesondere an Technischen Hochschulen ergeben. Im Blickfeld stehen dabei die Bedeutung von Selbstreflexion und Interdisziplinarität sowie geeignete Strukturen der Organisation. Die Referenten fragen nach der Zukunft der Geisteswissenschaften und erörtern inwiefern das „Jahr der Geisteswissenschaften“ einen Beitrag zu ihrer Sichtbarkeit leistet |
Illustration: Cécile Noël / www.framboise-noel.eu