Ziele unserer Forschung
Die Wissenschaft ist eine wichtige Ressource moderner Gesellschaften: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler diagnostizieren gesellschaftliche Probleme wie die Ausbreitung von Viren, Mangelernährung oder den Klimawandel und sie entwickeln Möglichkeiten zu ihrer Bewältigung wie Impfungen, Züchtungstechnologien oder CO2-freie Mobilitätsantriebe. Diese Ressource können Gesellschaften allerdings nur dann ideal ausschöpfen, wenn wissenschaftliche Erkenntnisse in Politik und Öffentlichkeit sachlich zutreffend dargestellt und diskutiert werden.
Doch bei der Vermittlung wissenschaftlichen Wissens in Politik und Gesellschaft gibt es gravierende Herausforderungen. Ziel der Forschung am FORUM ist es, Probleme öffentlicher Auseinandersetzungen mit Wissenschaft zu identifizieren und Möglichkeiten zu ihrer Bewältigung zu prüfen. Das ideelle Ziel unserer Forschung besteht darin, Beiträge zur Versachlichung polarisierter und politisierter öffentlicher Auseinandersetzungen um Umwelt, Technologie und Wissenschaft zu leisten. Einerseits soll unsere Forschung praktische Probleme der Wissenschaftskommunikation des KIT aufgreifen. Andererseits sollen unsere Forschungsergebnisse gesellschaftliche und KIT-interne Debatten zum Umgang mit wissenschaftlicher Erkenntnis in der Öffentlichkeit anstoßen. Auch Studierende sollen im Rahmen von Projektseminaren in unsere Forschung einbezogen werden.
Themen unserer Forschung
Wir nehmen dabei insbesondere die Rolle von Medien, Publika, Politik und Wissenschaft in den Blick. Aktuelle Fragestellungen unserer Forschung sind zum Beispiel:
Ursachen motivierten Wissenschaftsvertrauens
Ein Problem öffentlicher Kontroversen um Umwelt, Technologie und Wissenschaft ist das politisch motivierte Vertrauen oder Misstrauen in Wissenschaft: Menschen halten wissenschaftliche Expertise häufig dann für glaubwürdig, wenn eine Erkenntnis ihre Voreinstellungen bestätigt, und sie halten sie dann für unglaubwürdig, wenn eine Erkenntnis ihre Voreinstellungen hinterfragt. In einer aktuellen Studie prüfen wir potentielle Faktoren, die diese polarisierten Vertrauensmuster abschwächen können (Post & Bienzeisler, in Vorbereitung).
Vorstellungen von und Erwartungen an Wissenschaft, Politik, Medien
Viele Menschen glauben, dass wissenschaftliche Erkenntnisse zum Klimawandel oder in der Corona-Pandemie politische Entscheidungen mehr oder weniger eindeutig vorgeben können. Diese Vorstellung ist aus mindestens zwei Gründen problematisch: Zum einen ist sie unzutreffend, weil politische Entscheidungen nicht nur auf relevantem Sachwissen, sondern notwendigerweise auch auf Wertentscheidungen basieren – zum Beispiel über die Wichtigkeit von Zielen oder Gewichtung von Chancen und Risiken. Zum anderen hängt die Vorstellung, dass Wissenschaft politische Streitfragen lösen könne, mit unrealistischen Erwartungen an Wissenschaft und Journalismus zusammen – bspw. mit der Erwartung, dass Wissenschaftler letztgültiges Wissen produzieren oder dass Journalisten wissenschaftliche Erkenntnis eindeutig darstellen. In der öffentlichen Auseinandersetzung mit Krisenthemen wie der Corona-Pandemie oder dem Klimawandel, die sich durch ein hohes Maß an wissenschaftlicher Unsicherheit auszeichnen, können diese Erwartungen nicht erfüllt werden. Dies wirft die Frage auf, inwieweit unrealistische Vorstellungen von Wissenschaft zu Enttäuschung und Vertrauensverlust in Wissenschaft, Politik und Journalismus führen können (Post, Bienzeisler & Lohöfener 2021; Post & Bienzeisler, in Vorbereitung).
Das Teilen von Nachrichten über Umwelt, Technologie und Wissenschaft in Sozialen Medien
Nachrichtennutzer auf Sozialen Medien werden nicht nur durch die Inhalte von Nachrichten beeinflusst, sondern auch durch die Art und Weise, wie sie mit Nachrichten in Berührung kommen. Das wirft die Frage auf, wie und von wem Nachrichten in soziale Medien eingespeist und geteilt werden. Wir untersuchen diese Frage am Beispiel der Berichterstattung über das EuGH-Urteil 2018 zur Regulierung der Genschere. Unsere Analysen zeigen, dass Befürworter und Gegner von Gentechnologie ihren Followern Nachrichten über die Genschere in konkreten Fällen zwar sehr unterschiedlich, allerdings mit ähnlichen Mustern verfügbar machen (Post, Bienzeisler & Pannach, in Begutachtung). An diese Befunde schließt die Frage an, inwieweit bestimmte Merkmale der Berichterstattung über Umwelt, Technologie und Wissenschaft die Art und Weise beeinflussen kann, wie Nachrichten in Sozialen Medien aufgegriffen und verbreitet werden.
Politisch motivierte Wissenschaftskommunikation
Befragungen zeigen, dass Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sich meistens deshalb in der öffentlichen Wissenschaftskommunikation engagieren, weil sie Menschen über ihre Arbeit informieren oder sie davon begeistern wollen. In öffentlich politisierten Wissenschaftsdebatten um den Klimawandel oder Biotechnologien spielen bei einigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern allerdings auch politische Motivationen eine Rolle – zum Beispiel die Absicht, erwünschte politische Folgen herbeizuführen oder unerwünschte politische Folgen zu verhindern (Post 2014; Post & Ramirez 2018). Dies wirft die Frage auf, ob und unter welchen Umständen es in öffentlich politisierten Debatten um Umwelt, Technologie und Wissenschaft zu verzerrten Darstellungen wissenschaftlichen Wissens in der Wissenschaftskommunikation kommt.
Literaturauswahl
Post, S., Bienzeisler, N., & Lohöfener, M. (2021). A desire for authoritative science? How citizens’ informational needs and epistemic beliefs shaped their views of science, news, and policymaking in the CoViD-19 pandemic. Public Understanding of Science 30(5), 496 –514.
Post, S., & Ramirez, N. (2018). Politicized science communication: predicting scientists’ acceptance of overstatements by their knowledge certainty, media perceptions, and presumed media effects. Journalism & Mass Communication Quarterly, 95(4), 1150-1170.
Post, S. (2016). Communicating science in public controversies: Strategic considerations of the German climate scientists. Public Understanding of Science, 25(1), 61-70.