CF WS 18 19

Europas Krisen wie die Migrationskrise, die Probleme der politischen Parteien in der Mediengesellschaft, die Zunahme populistischer Bewegungen, aber auch die Sorge um die Meinungsfreiheit und die Unabhängigkeit der Justiz bestimmen augenblicklich weitgehend die Agenda der EU. Diese Krisen wirken als Katalysatoren einer erheblichen Vertrauenskrise aufseiten der Bevölkerung, die immer wieder die Solidarität und den Gemeinschaftssinn unter den EU-Mitgliedsstaaten auf die Probe stellen. Anstatt diesen europäischen, die gewiss auch global wirkende Herausforderungen sind, mit langfristigen Strategien zu begegnen, setzen immer mehr Politiker auf eine Politik der nationalen Zugehörigkeit, auf Abgrenzung und auf das Versprechen von Sicherheit und der Wiederherstellung des Zustands vergangener, vermeintlich besserer Zeiten. Gleichzeitig wird in den gegenwärtigen Debatten der Wunsch nach zivilgesellschaftlicher Verantwortung für eine Gesellschaft mit entsprechenden Zusammenhalt immer lauter. In Politik, Wirtschaft und in internationalen Zusammenhangen werden zudem verstärkt Verantwortungserwartungen an die politischen Akteure gestellt, die von der privaten Vorsorge über das soziale Engagement und die Verpflichtung zur Nachhaltigkeit bis zum Ruf nach globaler Solidarität reichen. Doch die Übernahme von Verantwortung setzt zum einen ethische, kulturelle und rechtlich geprägte Werte- und Handlungsmuster voraus, die zur Orientierung der Handelnden beitragen. Es bedarf andererseits aber auch leistungs- und durchsetzungsfähiger Institutionen, mit deren Hilfe sich Verantwortungskonflikte bewältigen lassen. Kann ein verstärktes zivilgesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein die Krisen unserer Zeit besser bewältigen? Was gilt es zu tun, wenn Menschenrechte und Meinungsfreiheit, Toleranz und Respekt gefährdet sind? Welche Werte halten Europa zusammen? Welcher Wertekanon soll von den Bildungsinstitutionen vermittelt werden? Wie können sowohl Institutionen als auch Bürgerinnen und Bürger mehr zivilgesellschaftliche Verantwortung übernehmen? Diese und weitere Fragen sollen im Colloquium Fundamentale kontrovers und interdisziplinar diskutiert werden.

Konzept und wissenschaftliche Leitung:
Prof. Dr. Caroline Y. Robertson-von Trotha, Direktorin des ZAK

Organisatorin:

Jennifer Hettesheimer M.A., Elisabeth Loeser M.A.

Das Colloquium Fundamentale wird durch die KIT-FÖRDERGESELLSCHAFT e.V gefördert.

Veranstaltungsübersicht

Wissenschaft im Exil

6. Dezember 2018 – 18:00 Uhr, NTI-Hörsaal, KIT Campus Süd, Geb. 30.10, Engesserstr. 5, EG

Prof. Dr. Kader Konuk / Direktorin der „Akademie im Exil“ und Leiterin des Instituts für Turkistik, Universität Duisburg-Essen

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Zu den Merkmalen rechtpopulistischer Bewegungen im 21. Jahrhundert gehört die anti-intellektuelle Haltung im Namen des ‚Volkes‘, die sich als Generalverdacht gegenüber Wissenschaft und Lehre äußert. Angriffe auf Hochschulen wurden in diesem Jahr unter anderem aus Ungarn, Polen, der Türkei und neuestens Brasilien berichtet. Ziel dieser Kampagnen sind bezeichnenderweise Gender Studies an der Central European University in Budapest, Holocaust Studies in Polen, LGBTI Studies in Brasilien oder aber die Sozialwissenschaften in der Türkei.

Schon während der Zeit des Nationalsozialismus versuchte man gesellschaftliche Opposition systematisch durch den Eingriff in die Universitäten aufzuheben. Unzählige jüdische und sozialistische Wissenschaftler_innen wurden aus dem Amt enthoben und ins Exil getrieben. Die Türkei, Großbritannien und die USA gehörten zu den wichtigsten Aufnahmeländern. Dieser Vortrag beschäftigt sich vor diesem historischen Hintergrund mit dem gegenwärtigen Angriff auf Forschungsfreiheit und der Wissenschaft im Exil.

 

Ursachen und Hintergründe des Wahlerfolgs der Populisten in Italien

17. Januar 2019 – 18:00 Uhr, NTI-Hörsaal, KIT Campus Süd, Geb. 30.10, Engesserstr. 5, EG

Prof. Dr. Alexander Grasse / Professor für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt „Politik und Wirtschaft im Mehrebenensystem“, Justus-Liebig-Universität Gießen

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Seit dem 1. Juni 2018 regieren in Italien erstmals in Westeuropa mit dem Bündnis aus Lega und Fünf-Sterne-Bewegung populistische und offen EU-kritische Parteien. Damit einher geht ein politischer Kurswechsel in zentralen Fragen für die Zukunft Europas. Nach der Flüchtlings- und Migrationspolitik steht nun die Kontroverse um den Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt im Zentrum. Italiens konfrontativer Kurs gegenüber Brüssel bedeutet nach dem Brexit-Votum für die EU in Form und Inhalt eine weitere schwere Belastungsprobe. Die öffentliche Debatte wird jedoch gerade in Deutschland häufig wenig differenziert geführt und ist von Fehlwahrnehmungen und Ressentiments geprägt. Der Vortrag analysiert die wirtschaftlichen und sozialen Gründe für den politischen Wandel und die rasant gestiegene Europaskepsis in Italien. Wie sollte die EU damit umgehen? Was sind die möglichen Konsequenzen für die Wahlen zum Europäischen Parlament im Mai 2019? Welche Rolle spielt Deutschland dabei? Diese und andere Fragen gilt es zu diskutieren.

 

Nationalismus in Europa: Schwerpunkt Ungarn und Polen

24. Januar 2019 – 18:00 Uhr, NTI-Hörsaal, KIT Campus Süd, Geb. 30.10, Engesserstr. 5, EG

Prof. Dr. Ireneusz Paweł Karolewski / Inhaber des Lehrstuhls für Politikwissenschaft, Universität Wrocław (Breslau)

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Während der Populismus weltweit verbreitet ist, scheinen die Länder in Mittelosteuropa (MOE) im besonderen Ausmaß davon betroffen zu sein. Manche Beobachter sehen zwar den Populismus als eine bloße politische Mobilisierungsstrategie (auch in Demokratien), für andere ist der Populismus zum Kampfbegriff geworden, mit dem man politische Gegner zu diskeditieren versucht und daher ein "leeres Signifikant”. Wann wird jedoch der Populismus nationalistischer Prägung gefährlich?

Der Vortrag versucht zu zeigen, dass die Entwicklungen in MOE eine mögliche Antwort hierauf liefern, denn der Populismus nationalistischer Prägung ist mehr als raue Symbolpolitik zwecks politischer Legitimierung, sondern geht, wie in Polen und Ungarn mit Verletzungen der Rechtsstaatlichkeit einher, welche (die politisch unabhängigen) Institutionen des Staates (z. B. die Justiz oder das Hochschulsystem) zugunsten der Regierungsparteien nachhaltig zu verändern suchen. Der Populismus wird dann gefährlich, wenn er demokratische Entkonsolidierung verursacht und diese unter dem Vorwand notwendiger Strukturreformen des Staates oder gegen den vermeintlichen Angriff von außen legitimiert.

György Dalos / Schriftsteller und Historiker

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Vor 30 Jahren „entließ" Moskau ihre Verbündete aus dem Warschauer Vertrag und bald daraufhin brach das kommunistische System auch in der UdSSR zusammen. Diese Veränderung von historischer Tragweite ermöglichte den ehemaligen Ländern des realen Sozialismus sowohl die Bildung eines souveränen Nationalstaates als auch eine stufenweise Integration in die EU. Dieser Prozess war gleichzeitig mit der Einführung einer parlamentarischen Demokratie und der freien Marktwirtschaft verbunden. Damit konnte die freie Welt, vor allem deren europäischer Teil zunächst einen beispiellosen Erfolg für sich verbuchen. Erst Jahre später stellte sich heraus, dass die Integration vor allem aus ökonomischen Gründen keineswegs reibungslos verlaufen wird und die doppelte – nationale und europäische – Option miteinander in Konflikt geraten kann. Vielmehr differenzierte die Ost- und Süderweiterung selbst das früher stabil geltende Bündnis der westlichen Staaten – siehe z. B. die Schwierigkeiten um Griechenland, sowie den Brexit. Neue Elemente in das Problem brachten die internationale Finanzkrise der Jahre 2008/09, die Verstärkung populistisch-autoritären Tendenzen sowohl im Osten als auch im Westen, die Flüchtlingswelle aus der Dritten Welt und Russlands weltpolitische Ambitionen. In dieser Situation stellt sich die Frage, ob und inwieweit man das europäische Projekt neu denken kann.

 

Leider musste Herr Dalos auf Grund einer kurzfristigen Erkrankung absagen

 

 

Antisemitismus und Islamfeindschaft

31. Januar 2019 – 18:00 Uhr, NTI-Hörsaal, KIT Campus Süd, Geb. 30.10, Engesserstr. 5, EG

Prof. Dr. Wolfgang Benz / Ehemaliger Professor und Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung, TU Berlin

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(Aus technischen Gründen ist von diesem Vortrag leider kein Videomaterial verfügbar)

Dem christlichen Antijudaismus, der die religiöse Minderheit ins Ghetto drängte, folgte im 19. Jahrhundert der „moderne Antisemitismus“, der rassistisch argumentierte und in der Shoah gipfelte. Nach der Katastrophe entstanden neue Formen der Judenfeindschaft, die sich an Restitutionsleistungen festmachten wie der „sekundäre Antisemitismus“ und als politische Manifestation gegen Israel der Antizionismus. Als Lehre aus dem Holocaust ist Judenfeindschaft in Deutschland verpönt und geächtet. Aber ungehemmt werden Vorurteile gegen andere Minderheiten artikuliert, insbesondere gegen Muslime. Islamfeindschaft dient rechtsextremen und rechtspopulistischen Parteien als Bindekitt völkischer, nationalistischer, reaktionärer und fremdenfeindlicher Emotionen. Der antimuslimische Rassismus hat lange Traditionslinien, die als „Islamkritik“ aus der Angst vor Migranten neu genährt und von Demagogen geschürt werden.

 

 

Bürgerbeteiligung: Zauberformel für die Demokratie in der Europäischen Union?

Terminausfall:

Der Termin vom 7. Februar 2019 mit Frau Prof. Dr. Ulrike Liebert, der auf unseren Flyern und Plakaten angekündigt wurde, findet leider nicht statt!